Montag, 24. August 2009

De zwarte Piet düst durch Holland

Wer mich kennt, verzweifelt daran, und fragt sich: Will der überhaupt wegfahren? Es geht darum: Das Packen verdränge ich vor dem Urlaub immer so lange wie möglich, da es eine von mir recht verhasste Tätigkeit ist und ich es fürchterbar finde, auf gepackten Koffern zu leben. So fiel die Packerei auch diesmal wieder komprimiert auf die Stunden vor der Abfahrt. Ausserdem ist das spannender, es sorgt so richtig für die hektische, unharmonische Stimmung, die man als Deutscher halt so braucht und man kann sich sogar im Urlaub noch richtig schön ärgern, weil man Sachen vergessen hat. Natürlich die immens wichtigen, ohne die ein Urlaub undenkbar ist. Häringe zum Antennenabspannen zum Beispiel, oder Klarsichthüllen zum Transport von Frequenzlisten, oder 60-Liter-Müllsäcke mit Zugband. Zudem kurbelt diese Methode die Wirtschaft am Zielort an, da ich dann immer diese Gegenstände dort nachkaufen muss. Ergo: Die Methode hat sich bewährt, es gibt keinen vernünftigen Grund, sie zu ändern. Immerhin habe ich den Frevel begangen, und habe bereits am Samstag (viel zu früh, und auch noch mehr als 1 Stunde vor Ladenschluß) schon ein löbliches Antennenkabel mit BNC-Steckern bei TH-Elektronik in Aachen besorgt, so dass wenigstens, auch wenn sonst alles schief geht, die Radiolauscherei gesichert ist. Wozu fährt man schliesslich in den Urlaub (Ach ja, das besagte Käblein gibt es dort übrigens komplett für 16,90€)
Etwa 3/4-voll beladen (wir MUSSTEN also etwas vergessen haben) startet der graue Touran dann gegen 13:30. Die Fahrt über Eindhoven und elegant an Amsterdam und Haarlem vorbei verläuft ohne jegliche besondere Vorkommnisse. Beim Autofahren ist mir sowas immer recht, kann sehr gut verzichten auf z.B. "file" (sprich wie schreib: Die genügsamen Holländer haben gar kein eigenes Wort für Stau erfunden, sie beschreiben einfach, was sie sehen: VIELE! [Autos]. Einen klitzekleinen FILE erwischen wir aber dennoch. In einem Land, das platter ist als der Hintern eines magersüchtigen Affen, werden einem während der Kutschierdienste sowieso kaum grössere Augenfreuden geboten. Das hat Vorteile, da Sonntagsfahrer der Zielgruppe 70plus bzw. 5TagevorScheintot nicht wähend der Lenktätigkeit der vermutlich ob der Fahrkünste schon an Herzinfarkt dahingeschiedenen Begleitperson wild gestikulierend Sehenswürdigkeiten zeigen können. Das Kehlsteinhaus zum Beispiel. Nein, keine Führerbauten. Links ein paar Kühe, rechts ein paar Schafe. Hin und wieder Häuser, ältere, neue und hypermoderne, auch solche, bei denen man sich fragt, ob sie ausser Design, das ausschliesslich avantgardistisch veranlagte Architekturstudenten ab dem 16. Semester anspricht, auch noch eine andere Funktion haben. Mehr Sign als Sein also. Brücken gibt es auch in Hol-Land, ab und zu sogar Wasser, unter der Brücke oder auch neben der Strasse und hier und da mal ein Sendemast. Die grösste Attraktion der Fahrt, die Landmarke schlechthin dürfte also LOPIK gewesen sein, bzw. der Gerbrandytoren.

Dieses Gerät, ein abgespannter Gittermast, 367 Meter hoch, aufgesetzt auf einen Betonturm, dürfte auch dem funktechnisch desinteressierten Normalmenschen auffallen, zumal man ziemlich direkt dran vorbeifährt. Zu Weihnachten wird dieses Mästlein dann immer beleuchtet. So kann sich der Holländer den Christbaum im Vorgarten sparen. Ein Blick zum Sendemast, und schon kommt ihm "Oh Du fröhliche" über die Lippen. Ist ein pawlowscher Reflex. Deshalb hängen Holländer übrigens auch keine Vorhänge ans Fenster. Sonst könnten sie ja den Weihnachtsbaum ja nicht sehen. Und für die restlichen paar Tage im Jahr lohnt sich die Anschaffung von Gardinen bei diesen Fenstergrössen sowieso nicht. Man kann die Fenster ja meist eh nicht öffnen. Man braucht sie also nur verdrecken zu lassen, dann kann auch keiner mehr reingucken. Schon wieder was gespart. Da wird der Schwabe neideisch, heidanei!
Da die Strassen, bis auf einige Abbiegungen mehr oder weniger gerade verlaufen, kann man sich ablenken, indem man etwas, naja, was auch sonst, das Radio durchs UKW-Band jagt. Mittlerweile wird allerdings auch in den Niederlanden das Radioprogramm immer einheitlicher. Schmerzlich vermisst habe ich die Formate von Arrow und City FM. Die Überschneidungen der anderen Privatradios sind in musikalischer Hinsicht recht gross. Zudem belästigen einen manche dieser Hitschleudern mit einem infernalischen Lärm. Nein, von Sound möchte ich bei Kuh-Musik, Slam FM oder Wild FM nicht mehr reden. Was da in den Äther gepumpt wird, grenzt an massive Körperverletzung. "Sky and sand", diese so schön mystische Dance-Nummer war bei Schlamm FM einfach nur unerträglich. Bass in Massen vorhanden, aber eher von der Marke Dauerdröhnen und die Höhen einfach nur verzerrt und zischelnd. Dynamik? Fehlanzeige. Den Vogel abgeschossen hat dann aber noch Zaan FM, so ein kleiner Lokalsender zwischen Amsterdam und Haarlem. Ich weiß nicht, was die alles falsch verdrahtet haben: Laufzeitunterschied zwischen den Kanälen? Phasenverdreht? Man hört fast keinen Gesang, der Klang schwebt zwischen den Lautsprechern hin und her und die Lautstärke und das Frequenzbild ändert sich ständig. Irgendwas läuft da in der Technik Amok. Pfeift also auf dem letzten Loch, der hohle Zaan.
Insgesamt ist das niederländische Radio aber dennoch eine Oase gegen die bundesdeutsche Dudeley: Es ist mehr Action drin, mehr Drive, flottere Musik insgesamt. Auch die öffentlichen Omroepen hören sich nicht so nach Behördenfunk mit Ärmelschoner an wie WDR und Co.
Nun ja, nachdem ich das Radio geschätzt 500 mal das UKW-Band rauf und runter gejagt habe, und mich dabei um Alkmaar rum fast noch verfahren hätte, sind wir dann auch schon da. Sint Maartensvlotbrug sagt das Schild. Ha! Direkt die erste Aufgabe für den rasenden Reporter morgen. Ich muss die flotte Brücke finden! Was ist das eigentlich, eine vlote brug? Flott angestrichen? Flott gebaut und flott wieder zusammengebrochen? Oder hat die nur den flotten Otto? Fragen, die mir jetzt noch keine Ruhe lassen. Sint Maartenszee (juhuu, ich kann mir den Namen jetzt merken, falls ich hier mal verloren gehe oder "mich nicht mehr kenne", um eine Aachener Redensart zu rezipieren) freilich ist gar kein Dorf, sondern eine Ansammlung von Campingplätzen und Bungalowdörfern direkt vor den Dünen. Der dritte Platz an der Strasse war dann auch der richtige.
Typisch holländisch: Die Häuschen dicht an dicht gebaut, aber trotzdem irgendwie nett. Innen Backsteinidylle, unverputzte Wände also, aussen Grünbereich...oder eher schütteres Braun? Geregnet hat es hier jedenfalls länger nicht. Der Sandboden staubt. Das lässt hoffen, in wettertechnischer Hinsicht. Und so lange die Amis nicht merken, dass Holland eigentlich ein Wüstenstaat ist, kann ja eignetlich nix schiefgehen. In der Bude? Alles da. Fernseher, DVD, sogar eine richtige Küchenmaschine, einen Toaster, Zitruspresse, Kaffeemaschine und Espressokocherlein. Ich habe schon Urlaube in Feriendomizilen verbracht, wo nicht EINER dieser Gegenstände vorhanden war. Deshalb zähle ich das jetzt auf. Die erweiterte Aufzählung von Geschirr, Besteck etc. werde ich dann vielleicht in einem kostenpflichtigen, passwortgeschützten Bereich unterbringen. Für die wahren Fans. Ob ich exklusiv für brandenburgische DauersPAMmer aus dem Radioforum auch den Toilettenpapierverbrauch in Blatt/Sitzung dokumentiere, weiss ich noch nicht.
Nachdem die Sachen verstaut sind und mein Sohn schon den Sandkasten hinterm Bungalow mit seinen Sandelsachen in Beschlag genommen hat, düse ich noch zum Albert Hijn nach Callantsoog (der nächstgelegene tatsächliche Ort, etwa 5km entfernt). Mehr als 20 Parkplätze hat man dort nicht für nötig befunden, was für chaotische Zustände sorgt. Ich hatte dann beim Rangieren auf dem Gelände gleich noch ein Velo plattgemacht...ohne Fietser, also nur ein abgestelltes, gottlob. Und, wie gut für die Urlaubskasse, das Ding hat es überlebt, nicht mal ein Kratzer war zu sehen. Hollandrad halt, robust und unkaputtbar. Nach dem Motto: Was nicht dran ist, kann auch nicht kaputtgehen! Schnell wieder hingestellt, das Radl und mich dann durch Massen von Touristen (Ich HASSE Touristen, garstiges Volk, das!) zu Gemüse, Milch, Käse, Fleisch gequält, und was der geneigte Urlaber sonst noch so braucht. Albert Hijn ist übrigens einer der grössten Supermärkte in den Niederlanden, die Angebotspalette kommt aber über die eines deutschen Nahkauf kaum hinaus. Lediglich bei Lakritz ist die Vielfalt erschlagend. Bei Brot dagegen hat man die Wahl zwischen Schlabberbrot ohne und Schlabberbrot mit Körnern. Naja, jedes Land setzt seine Prioritäten...gut und günstig ist dagegen Gemüse, tlw. auch Milchprodukte. Fleisch dagegen ist teurer, eine Bedientheke gibt es nicht, alles verschweisst. Naja, vielleicht die Tage doch mal einen Metzger aufsuchen? Weitere Shoppingeskapaden ersparen ich mir aber am ersten Abend. Wichtigere Dinge stehen an: Das Essen (ich pass mich den ortsüblichen Gewohnheiten an und brutzle Bami Goreng, auf die niederländische Fix- und Foximethode. Das Fleisch musste ich immerhin noch schnippeln, alles andere war "kanteklaar", also zum in den Topf schmeissen. Gemundet hat es trotzdem. Dann wartete noch DIE Tat des Tages auf mich: Aufbau des Antennenmastens. Shit! Häringe vergessen! Auf die Einkaufsliste gesetzt. So lässt sich der Mast, nicht abgespannt, vorerst nur auf etwa 5 Meter ausfahren. Die vollen 367 Meter gibts also erst morgen...oder waren es doch nur 10? Schade, ich hätt gern den Gerbrandyturm...nur mit dem Kabel müsst ich mir da was einfallen lassen. Knapp 400 Meter verlustfrei...eine anspruchsvolle Aufgabe!! Bis das gelöst ist, begnüge ich mich mit dem tarngrünen NVA-Masten. Fügt sich in die Umgebung ein und läuft wunderbar...also die Schiebeelemente, meine ich. Ansonsten steht er. Wie ne Rechtshänder-Eins. Also mit leichter Neigung nach rechts. Nun aber noch ans Meer. Das kann einfach nicht bis morgen warten. Zu was fährt man ans Meer, wenn man denn nicht auch hingänge. Oder hinein, noch besser. Pack die Badehose ein, und dann nüscht wie durch die Dünen. Etwa 1,5km Fußweg sind es, dann auf einmal, nach etwa 2000 Fahrradständern, tatsächlich: Wasser! So weit das Auge reicht, darüber das Abendrot, irgendwo am Rand, da wo das Wasser hinten runter fällt von der Scheibenwelt, ein paar Lichter. Die Meeresbegrenzung wahrscheinlich, muss ich morgen mal hinschwimmen. Hoffentlich fall ich nicht auch runter. Mit dem Wasser! Mein Sohn meint, das seien wohl nur Schiffe. Ich bin mir sicher, dass es England ist. Das liegt doch auch irgendwo da draussen im Wasser. Wenn Flut ist, wird es enger als bei Ebbe. Jedenfalls ist am Strand jetzt Platz genug. Im Wasser ist noch mehr Platz. Wäre ja schade, wenn man das nicht ausnutzen würde. Da es schwül ist und windstill (Windstill am Meer, wann gibt es das schon mal, und in Holland auch noch.) Die Windmüller machen keinen Reibach heute, so viel ist sicher. Man muss sich das vorstellen. Da will einer einen Sack Wind kaufen, Typ 550 vielleicht auch noch, und die Windmühle kann gar keinen mahlen, eil keiner da ist. Doof, so was. Naja, und Strom gibts dann auch keinen, von den modernen Windmühlen. Wie gut, dass es noch das Kernkraftwerk Petten gibt, das, im Fußlaufabstand gelegen, gelb ausgeleuchtet herüberstrahlt. Sonst würden wir jetzt noch im Dunklen sitzen, nachdem das Meer die Sonne ausgelöscht hat. Ich tausche meine Schweißschicht gegen eine Salzkruste aus frischem Meerwasser und dann geht es zurück. In den Dünen herrscht Krötenwanderung. Mein Sohn aber ist überzeugt, es seien dicke fette Kellerasseln. Weil Kröten ja hüpfen, die aber sind gekrabbelt. Das hat einen anderen Grund. Hüpfen ist in den Dünen für Kröten sicher nach 22 Uhr verboten. Steht bestimmt auf dem 20 Meter langen Schild, das erzählt, was alles NICHT ERLAUBT ist. Vielleicht kommt mal einer auf die Idee, das Schild auszutauschen. Gegen eines, auf dem steht, was alles NICHT VERBOTEN ist. Das Schild wäre vermutlich viel viel kleiner. Wäre aber schlecht für die Verbotsschilderbranche. Das würde dann wieder Arbeitsplätze kosten, und das in der Wirtschaftskrise. Lassen wir das lieber. Die Wirtschaftskrise beseitigen wir heute auch nicht mehr, denn der Strandpavillon hatte ja auch schon geschlossen. So gibt es den wohlvedienten Nachtisch zu Hause, im idyllischen Backsteinbungalow. Rijstepap
und Jodenkoek-Nachtisch
(Jodenkoek ist eine Spezialität aus Alkmaar. http://nl.wikipedia.org/wiki/Jodenkoek . Diesen Butterkeks muss man einmal probiert haben. So locker und lecker würde der Herr Bahlsen sicher auch gerne backen...) Hernach baue ich dann mal die Technik auf, damit das Kraftwerk da drüben die Kerne nicht für die Katz spalten und fusionieren muss. Wieder einmal ärgere ich mich über die sparsame Anbringung von Steckdosen in niederländischen Häusern und muss wieder einmal eine Mehrfachsteckdosen-Affenschaukel verlegen. Kennen wir ja schon. Zwarte-Piet-Urlaub nur echt MIT!! Was sagt der Kenwood? Die Pegel auf UKW sind etwas schwach...an der Windflaute wirds wohl nicht liegen. Berge sind nicht allzu zahlreich im Weg. (Dafür hatte mein Sohn auch eine Theorie: Die hat damals ein Wikinger richtig kräftig platt gehauen, und die Brocken davon sind ins Meer gefallen! Deshalb gibt es auch keine Felsen in Holland. Ob das damals einen Tsunami verursachte, ist allerdings nicht überliefert!) Also, wo steckt der Tatzelwurm? Liegts am Balun, ist was oxidiert? Oder reichen die 5 Meter einfach nicht? Muss ich doch die NOZEMA kommen lassen, damit sie mir einen Turm bauen? Auf der Düne gingen immerhin mehrere Frequenzen aus England, mit dem kleinen Degen-Weltempfänger, wohlgemerkt.(Waren also doch England, die Lichter, wusste ich ja gleich!) Das hat man auch gleich gehört: Oh, ein Sprecher ohne Rachenkrankheit!) Nun ja, noch das Zwischennetz aktiviert, das mich 30 Euro kostet für die zwei Wochen, und jetzt hier geblökt...oder wie das so auf neuweb2.0-isch heisst. Und damit ist Ruhe im Block für heute. Meine bessere Hälfte sägt neben mir schon die Küstenwälder ab...Zeit, gute Nacht zu sagen.

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