Dienstag, 8. September 2009

Freitag: Schwimmen bei roter Fahne

Freitagmorgen wurde ich ausnahmsweise mal nicht vom Herumkrähen meines Sohnes (Westfriesische Bauernregel des Tages: Der Benedikt im Haus erspart den Gockelhahn)
aus den süßesen Träumen (von Jodenkoeken?) geholt, sondern vom krachtigen Wind, der über das fegte, was sich in einem holländischen Ferienbungalow Dach schimpft. Der Blick aus dem Fenster zeigte mir eine sich um 45° verneigende Antenne. Allerdings von mir weg, unhöfliches Ding! Wie ich mit Schrecken feststellen musste, hatte es einen Häring aus dem Sandboden gerissen, was mein geistiges und physisches Erwachen extrem beschleunigte. Ich rannte also notdürftigst bekleidet in den Garten, um geschwind den Antennenmasten einzufahren. Meine Frau meinte dazu nur lakonisch, die dort gerade mümmelnden Karnickel würden sich vermutlich ihr Leben lang nicht von diesem Schock erholen! Mein Sohn, derweil erwachet, feixte auch schon wieder in der Gegend herum. Mit Windkracht 7 und solch netten Familienmitgliedern brauchst Du im Urlaub keine Feinde mehr, nicht einmal Stechmücken. Zum Dank dafür briet ich auch noch Eier mit Speck zum Frühstück. Soll ihr Cholesterinspiegel doch bis zum Anschlag steigen! Nun, auch an diesem Freitag schafften wir wieder das Kunststück, vor 8 Uhr wach, aber erst nach 11 Uhr ausgehfertig zu sein. Ich werde den Blog vermutlich noch in "Die Entdeckung der Trantütigkeit" umbenennen.
Mein Sohn ließ indes nicht von mir und meinen Nerven ab, da er dringend das eigens besorgte Wasserlebenswesenauffanggerät (CASHER, sprich: KÄSCHER, Herr Benedikt, nicht KÖCHER!) ausprobieren musste. Sodann avancierte ich für 15 Minuten zum Hobbybiologen und versuchte, die auf dem Campingplatz vorhandenen Stillgewässer leerzufischen. Meine biologischen Rudimentärkentnisse (in der Schule Grundkurs gerade so durchgewürgt) reichten leider nicht zur Bestimmung von auch nur annähernd 1% der vorhandenen Arten aus. Es gab sehr viele aufgreget umeinander hüpfende Insekten, die mir irgendwie sehr suspekt waren und mit denen ich mich auf keinerlei Körperkontakt einlassen wollte. So waren letztendlich beide Arten glücklicher: Der Homo sapiens petriensis als auch der insektus dubiosus hoppicus. Einen Frosch konnte ich anhand seiner Glupschaugen allerdings unter den nach sorgfältiger Auswahl in einem Meßbecher Inhaftierten einwandfrei ausmachen (Farbe: grün mit schwarzen Punkten!), ebenso einen beliebigen Molch und ein diabolisch dreinschauendes bis zu den Zähnen bewaffnetes Raubtier, das ich spontan ohne Diskusssion zur Libellenlarve degradierte. Im Meßbecher drohten sich dramatische Szenen abzuspielen. Die Libellenlarve versuchte, den Frosch zu fressen...oder gar zu begatten? Dr. Grinzmek (oder wie der hieß) hätte es sicher gewusst, Heinz Sielmann auch, Peter Lustig wäre in die Bibliothek gegangen und zu den Naturschützern,hätte alles über Lurche herausgefunden, was in den letzten 2000 Jahren erforscht wurde, ich nicht. Nun, jedenfalls klammerte sich das Ungeheuer eine gute Zeitlang an Kermit fest, was dieser sichtlich nicht genoß. Vermutlich träumte er immer noch von Miss Piggy. Dem Molch war es einerlei und die Larve hatte an ihm auch kein Interesse. Doch letztendlich blieben doch alle wohlauf und wurden nach Präsentation zuhause wieder der Natur überdacht. Mich gelüstete es, selbst die (gedachten) Schwimmhäute auszubreiten und so schwangen wir uns wieder auf die Velos und strampelten gegen Windkracht 7 an. Die Holländer brauchen den Wind, da sie ja keine Berge haben. Ohne wäre das Radeln zu einfach und zu langweilig. Kopfschüttelnd wunderte ich mich beim Überziehen der Badehose über die rote Fahne, die da lustig herumflatterte. Wenn die SPD schon am holländischen Strand Wahlwerbung machen will, dann hätten sie doch auch gleich Justus Waldohreule (alias Frank-Walter S.) vorbeischicken können...oder Ulla, aber dann nur mit dem Dienstfahrrad. Ich vergnügte mich dann einige Zeit in den rollenden Wellen und schluckte so viel Wasser, dass mein Salzbedarf für die nächsten fünf Jahre gedeckt sein müsste. Als ich wieder den Wogen entstieg, machte mich ein lustiger (aber nicht fliegender) Holländer darauf aufmerksam, dass die rote Fahne für ein Badeverbot stehen würde. Ich hatte Mühe, ihm zu erklären, dass ich nicht badete, als Beweis hatte ich auch kein Quietscheentchen dabei, vielmehr schwamm ich und das Meer ist auch entgegen seinen Beteuerungen nicht gefährlich, zumindest nicht für Schwaben, die sich mit Wasser und den Gezeiten eben besser auskennen als ahnungslose Holländer! Fragt sich, warum die soviel Meer haben, wenn sie bei ein bisschen Wind Angst davor bekommen. Vermutlich muss ich noch viel patat oorlog oder speciaal essen, dachte ich so bei mir, bis ich auf den geistigen Stand eines Niederländers gelange und sowohl dessen Verhältnis zum Meer als auch seine Logik beim Strassenbau, der Streckenführung an Kreuzungen und der Beschilderung nachvollziehen kann! Ergo setzten wir uns dann in der Folge wie dämliche Otto-Normal-Touristen in den Sand, windabgewandt, und überlegten, was wir jetzt tun sollten, beschlossen aber, dass es schön ist. Denn am Strand ist es immer schön, im Urlaub sowieso das ist bekanntlich ein Axiom! Also war es schön und die Stunden vergingen wie in der Wartehalle des Flughafens...äääh...wie im Fluge, wollte ich schreiben. Ein freudscher Verschreiber, ich lasse ihn drinstehen! Da ein guter Urlauber im Urlaub erst einmal gar nix tut, taten wir eben dies mit grosser Hingabe, zwischendurch besorgten wir uns ein Eis...oder Fritten...ich weiss es nicht mehr. War auch nicht entscheidend. Wichtig war, die Kasse des Strandpavillons etwas aufzufüllen an diesem schlecht besuchten Tag. Der Kampf gegen die Wirtschaftskrise gehört nämlich auch oder sogar gerade im Urlaub zu den obersten Staatsbürgerpflichten. Nach diesen Strandeskapaden mussten wir wieder Albert Heijn einen Besuch abstatten, damit Benedikt sein wie versprochen sein Leibgericht, Spaghetti mit Spinat und Gorgonzola, bekam. Die Mühen wurden schliesslich damit belohnt, dass ich vehement, ausführlich und lautstark belehrt wurde, dass Oma dieses Gericht gaaanz anders kocht, und dass der Spinat nicht mit in die Soße dürfe. Ich beschloss, das auch weiterhin anders zu sehen und versuchte vergeblich meinem Sohn zu erklären, dass Oma nicht kochen kann. In der Türkei hätte dieses Familienmahl danach vermutlich in einer Messerstecherei geendet. Die Messer in holländischen Ferienbungalows sind dazu aber viel zu stumpf, somit sahen wir auch von Nachahmungen ab.
Am Abend schaffte ich es dann noch, den ersten Beitrag für das Hochschulradio fertig zu machen. Der Tag scheint im Urlaub noch weniger Stunden zu haben als sowieso schon. Konsequenterweise hing im Bungalow nirgendwo ein Zeitmesser, so dass dieser Umstand nicht ganz so augenscheinig wurde.

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